Drei ältere Frauen machten sich auf ein Abenteuer, um ihre größten Träume zu verwirklichen.

INTERESSANTE GESCHICHTEN

Einst unzertrennlich, wirkten wir in diesem Moment wie Fremde – Frauen in unseren goldenen Jahren. Wir waren zusammengekommen, um über Bedauern und verlorene Zeit zu sprechen, doch eine verrückte Idee ließ uns alles infrage stellen.

Die Beerdigung war still. Nur wenige Menschen standen beieinander und flüsterten. Ich hielt mich abseits, die alte Hut meines Mannes fest umklammernd. Es war alles, was mir von ihm geblieben war – von uns. Die tröstenden Worte erreichten mich nicht.

*„Sie sollten reinkommen“*, raunte jemand, doch ich rührte mich nicht.

Meine Gedanken wanderten zu all den Plänen, die wir aufgeschoben hatten. Unsere letzte Reise ans Meer, die Träume, die wir auf „später“ verschoben hatten. Dann war er nicht mehr da.

*„Ist das… Nora?“*

Meine Stimme erstarb, als ich eine vertraute Gestalt am Rand der Trauergemeinde erkannte. Sie wirkte unsicher, hielt ihre Handtasche wie einen Schild fest. Bevor ich mich sammeln konnte, tauchte eine weitere bekannte Silhouette auf.

*„Lorna?“*, flüsterte ich und hätte fast gelacht vor Verblüffung.

Sie stand da, selbstsicher, ihr greller Schal und die Sonnenbrille ein Farbtupfer in der düsteren Menge. Es war, als sähe ich die Geister unserer Jugend – doch in ihren Augen lag eine Schwere der vergangenen Jahre.

*„Meine Mädels…“*

Später saßen wir in einem kleinen Café.

*„Das fühlt sich irgendwie unwirklich an“*, gestand Nora und rührte in ihrem Tee. *„Wie lange ist es her, seit wir alle zusammen waren?“*

*„Viel zu lange“*, antwortete Lorna. *„Und dass ausgerechnet das der Grund ist… Das ist unfair.“*

Ich nickte. *„Ich habe mich die letzten Jahre um ihn gekümmert. Alles andere ist einfach… stehengeblieben.“*

*„Und jetzt?“*, fragte Nora sanft.

*„Sein letzter Wunsch war es, noch einmal das Meer zu sehen. Ich konnte es ihm nicht mehr geben, als er noch hier war. Aber jetzt werde ich es tun.“*

*„Ich weiß nicht einmal, was ich selbst will“*, gestand Nora. *„Meine Familie… Ich glaube nicht, dass sie mich jemals als mehr gesehen haben als nur als Hausfrau. Letztes Jahr habe ich das Truthahnrezept zu Thanksgiving geändert – und es wurde ein Skandal. Der Truthahn-Skandal.“*

Lorna schnaubte, doch ihr Lachen verflog schnell. *„Immerhin bist du von Menschen umgeben. Ich war so lange allein, dass ich wahrscheinlich vergessen habe, wie sich Freude anfühlt.“*

Plötzlich platzte es aus mir heraus: *„Was, wenn wir zusammen verreisen? Einfach so. Was könnte schon schiefgehen?“*

Nora blinzelte. *„Eine Reise? Einfach so?“*

Lorna grinste. *„Mir gefällt die Idee. Verrückt, aber ich mag sie.“*

Wir lachten – und es war tatsächlich der Anfang von etwas Verrücktem.

**Einige Tage später, Flughafen**

Das Summen rollender Koffer, entfernte Durchsagen und hin und wieder das Lachen von Familien, die zu ihren eigenen Abenteuern aufbrachen, erfüllten die Luft. Ich hielt mein Boarding-Ticket fest, spürte das aufsteigende Kribbeln der Vorfreude. Diesmal war mein Koffer nicht mit praktischen Dingen gepackt, sondern einfach mit Sachen, die mir gefielen.

Nora stand neben mir und durchwühlte verzweifelt ihre Tasche.

*„Mein Pass war gerade noch hier!“*, rief sie, ihre Stimme wurde schrill.

*„Er ist in deiner Hand, Nora“*, bemerkte Lorna trocken, ein kaum merkliches Lächeln umspielte ihre Lippen.

Nora errötete und hielt das Dokument hoch, als wäre es aus dem Nichts erschienen. *„Oh, na ja… Ich habe nur noch mal nachgeguckt.“*

Lorna richtete ihren Schal mit lässiger Geste, doch ich sah, wie ihre Finger zitterten.

*„Entspann dich“*, sagte ich und stieß sie sanft an. *„Du bist die Verkörperung von Selbstsicherheit.“*

*„Fake it till you make it“*, flüsterte sie zurück, ihr Grinsen breitete sich aus.

**Am Zielort**

Wir mieteten einen glänzenden Cabriolet – Noras Idee.

*„Wenn wir das schon machen, dann mit Stil“*, erklärte sie und warf ihre Taschen in den Kofferraum.

Die offene Straße begrüßte uns mit salziger Meeresluft, der Horizont schien endlos, als lade er uns ein, noch größer zu träumen.

Natürlich lief nicht alles glatt.

*„Mein Gepäck ist weg“*, verkündete Lorna am ersten Abend im Motel.

*„Weg? Wie ist das überhaupt möglich?“*, fragte Nora, ihre Stimme wieder laut.

*„Keine Ahnung, vielleicht habe ich es auf dem Gepäckband vergessen. Aber kein Grund zur Panik. Ich kaufe mir einfach was Neues.“*

Wie versprochen, kam sie eine Stunde später mit einem wallenden Kleid zurück, das wie für sie gemacht schien.

*„Problem gelöst“*, verkündete sie und wirbelte auf dem Parkplatz herum.

**Die Nacht des Tanzwettbewerbs**

Die Stadt erwachte zu Musik und Lichtern. Über dem Platz hing ein Banner: *„Jährlicher Tanzwettbewerb – heute Abend!“*

Lornas Augen funkelten.

*„Ich mache mit.“*

*„Ohne Partner?“*, fragte ich skeptisch.

*„Details“*, winkte sie ab.

Keine Minute später trat ein Mann mit silbernem Haar und freundlichem Lächeln auf sie zu.

*„Möchten Sie tanzen?“*, fragte er und überreichte ihr eine einzelne Rose.

Die Musik setzte ein, und obwohl ihre Schritte nicht perfekt waren, strahlte Lorna vor Glück. Als sie zu den Gewinnern ausgerufen wurden, hallte ihr Lachen über den Platz. Sie hob die kleine Trophäe wie eine Olympiamedaille.

*„Roger, mein Tanz-Partner in Crime, hat mich auf ein Date eingeladen“*, verkündete sie später mit roten Wangen.

Die Nacht fühlte sich an wie ein Märchen – bis mir schwindlig wurde. Ich krallte mich am Tisch fest.

*„Martha, alles okay?“*, Noras Stimme durchbrach den Nebel.

**Im Krankenhaus**

Ich erwachte in einem Krankenzimmer. Der Arzt rückte seine Brille zurecht.

*„Ihr Körper hat viel durchgemacht. Emotionale Belastung, körperliche Anstrengung. Sie brauchen Ruhe. Weitere Reisen sind im Moment nicht ratsam.“*

Ich nickte.

*„Morgen verstreue ich seine Asche“*, sagte ich zu den Mädels. *„Dann fahre ich nach Hause.“*

**Der Streit**

Im Motel war die Stimmung angespannt. Lorna schenkte Tee ein, Nora trommelte unruhig mit den Fingern.

*„Du musst die Reise nicht abbrechen“*, sagte Lorna. *„Bleib noch ein paar Tage. Wir ruhen uns aus. Du hast es verdient.“*

Nora runzelte die Stirn. *„Wir haben genug erlebt. Martha hat den Wunsch ihres Mannes erfüllt, du hast Roger getroffen – aber was habe ich getan? Nichts.“*

*„Das ist unfair“*, fuhr Lorna auf. *„Vielleicht solltest du dich fragen, warum du dich selbst zurückhältst?“*

Noras Gesicht lief rot an. *„Zurückhalten? Weißt du, wie es ist, immer diejenige zu sein, auf die sich alle verlassen? Niemals Zeit für sich selbst zu haben?“*

*„Und weißt du, wie es ist, ganz allein zu sein?“*, konterte Lorna.

*„Genug!“*, rief ich.

Schweigen. Dann stand Lorna abrupt auf.

*„Das ist sinnlos.“*

Nora knallte die Tür hinter sich zu.

In dieser Nacht zog sich jede in ihr Zimmer zurück. Die Risse in unserer Freundschaft schienen tiefer denn je.

**Noras Befreiung**

Am nächsten Morgen: Der Cabriolet war weg.

*„Paragliding?“*, wiederholte ich entsetzt. *„Alleine?“*

Wir fanden sie am Startpunkt, gesichert, bereit zum Sprung. Der Wind spielte mit ihren Haaren.

*„Nora! Was tust du da?“*

Sie lächelte. *„Etwas für mich.“*

*„Das ist gefährlich!“*

*„Eben“*, antwortete sie. *„Ich habe immer nach sicheren Regeln gespielt. Das hier brauche ich.“*

Lorna trat vor. *„Dann machen wir es zusammen.“*

Und so stürzten wir uns alle drei in die Lüfte. Der Wind heulte in meinen Ohren, das Meer funkelte unter uns. Für einen Moment waren alle Ängste vergessen, ersetzt durch reines, ungefiltertes Glück.

Bei der Landung lachten wir, unsere Beine zitterten. Noras Augen leuchteten.

*„Ich habe noch nie so etwas gespürt.“*

**Abschied am Meer**

Später standen wir am Strand, die Wellen umspielten unsere Füße. Ich öffnete die Urne, die Asche verwehte im Wind.

*„Leb wohl, meine Liebe.“* Ich sah die Mädels an. *„Und danke. Das war unvergesslich.“*

**Epilog**

Nora kehrte mit neuem Mut heim – und setzte sich endlich für ihren Traum vom Malen ein.

Lorna fand Liebe und Lachen mit Roger, ihrem Tanzpartner fürs Leben.

Und ich? Ich wählte ein mutiges Leben, erzählte unsere Geschichte in der Bibliothek. Unser Paragliding-Flug wurde mein Versprechen: Nie wieder Träume aufschieben.

Das Leben ist nicht vorbei. Es fängt gerade erst an.

(Visited 58 times, 1 visits today)
Rate article